Während sich die Lady Kapitän mit Hagen weiter über die Geschäfte unterhielt, waren die Huren in heller Aufruhr. Sie hatten den Golz umringt und zupften an seinem Mantel. Herta und Pandora hielten sich ein wenig im Hintergrund.
Golz konnte sich kaum erwehren, er war sichtlich mit den vielen Händen überfordert, die an ihm herum fummelten, doch er hatte nur Augen für Herta und für die Brüste von Pandora.
Die Lady Kapitän grinste in sich hinein und bemerkte: ‘Dass Herr Golz schielt, war mir bisher nicht bekannt!’
‘Ja, die Damen haben schon so manchen den Kopf verdreht!’ erklärte der Flötzinger.
‘Lady Kapitän, entschuldigt bitte die Frage, aber hat Ihr Herr Golz gerade angefangen zu sabbern?’ wollte Hagen wissen.
‘Er ist nur im weitesten Sinne mein Herr Golz. Er hat durchaus ein Privatleben, auch wenn er sich zuweilen ein wenig ungeschickt anstellt dabei.’ betonte die Lady Kapitän und fuhr dann etwas lauter fort. ‘Herr Golz, gib deiner Auserwählten das Geld und geht mir aus den Augen!’
Herta schubste Pandora vor und versuchte zu flüchten, doch Golz trat ihr in den Weg. Er war durchaus größer und kräftiger als Herta und das war auch der einzige Grund, warum sie abrupt stehenblieb.
‘Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?’ säuselte Golz und hielt Herta den Arm hin.
‘Bin weder Fräulein, weder schön und im Moment….ähm...unpassierbar!’ versuchte Herta zu kontern.
Pandora stieß Herta an und flüsterte: ‘Unpässlich, unpässlich!’
‘Das kommt doch wirklich auf das Selbe raus, oder?’ rief Herta in ihrer eher weniger leisen Art.
‘Das Hurenhaus Flötzinger-Widerwillen kann Euch jede Andere aus unserem Hause gerne anbieten.’ kündigte Pandora ihm an.
Golz blickte Pandora so an, als hätte sie ihm gerade das liebste Spielzeug weggenommen.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und die Männer aus der Nachtschicht kamen in die Feuchte Hütte gestürmt und im nächsten Augenblick waren alle Huren aus dem Schankraum geschleppt worden. Sogar Pandora und Doni der Türsteher waren verschwunden. Man konnte den Lebertran am Fenster sehen, wie er kopfschüttelnd hereinblickte. Nur Herta hatte sich mittlerweile hinter den Tresen geflüchtet und Golz stand wie ein begossener Pudel mitten im Raum. Mit eingezogenen Schultern schlich er zum Tresen und krächzte: ‘Einen Doppelten!’
Herta goß ihm ein und lächelte verlegen: ‘Es tut mir leid, ich bin verliebt!’
‘Sagt es doch einfach, wenn es zu wenig Zaster ist!’ grunzte Golz, trank und schob ihr den wieder Becher hin.
Sie goß ihm ein und blickte ihn lange an, bevor sie weitersprach: ‘Ehrlich, wenn ihr mir hier und jetzt 24 Gold auf den Tisch legt, dann bin ich die Eure, immer wenn Ihr auf Primum seid!’
‘Was 24 Gold, das sind ja 288 Silber oder 3456 Kupfer. Für 3456 Kupfer könnte man sich für die nächsten 9 Jahre ein Bier am Tag bestellen und an hohen Feiertagen sogar zwei!’ rief der Flötzinger völlig entsetzt und schlug die Hände über den Kopf zusammen.
Herta trat ihm hart gegen das Schienbein, so dass er sogleich zu Boden ging und schob dann noch den vernichtenden Satz hinterher, den er an dieser Stelle bestimmt nicht hören wollte: ‘Sag das mal deiner Frau, dass sind ungefähr die Schulden, die ich noch bei ihr habe!’
Golz trank seinen Becher wieder leer und meinte: ‘Ja dann Prost Mahlzeit!’
Herta nickte und trank wieder aus der Flasche, dann goß sie dem Golz wieder ein.
Das ging eine Weile so, bis die Nachtschicht von der Tagschicht abgelöst wurden und die Huren eine Doppelschicht einlegen mussten.
Am nächsten Morgen krähte der Hahn zweieinhalb Mal, dann hörte es sich so an, als hätte jemand etwas nach ihm geworfen. Golz und Herta saßen immer noch an der Bar. Einige Rumflaschen standen und lagen herum. Ein paar Papiere, Karten, Würfel, Silberstücke und ein Brett mit Schinken, Käse und Brot lagen auf dem Tisch. Ein Messer steckte im Tresen. Der Flötzinger lag im Schaukelstuhl und schnarchte. Die Lady Kapitän saß immer noch mit dem Hagen am Tisch und sie studierten die Karte von Primum und redeten über die Ausarbeitung der Handelswege auf der Insel. Und der Nicht Dr. Lebertran stand am Fenster und grinste zur Tür herein. Dann drehte er sich um, warf die den bewusstlosen Hahn über die Schulter und schlenderte davon.
Hagen brachte die Lady Kapitän Ingrid-Senta Skylarson und ihren ersten Maat Golz zur feuchten Hütte.
Er plapperte immer noch vor sich hin: ‘Wir haben jetzt einen Bautrupp aus 4 Einheimischen, die haben uns ein paar Wochen die Hütte hier hingezimmert.’
Die Lady Kapitän heuchelte Interesse. Hagen lief die Stufen hinauf und öffnete die Tür zur Feuchten Hütte. ‘Dann kommt mal rein in die gute Stube!’
Golz ging zu erst und nötigte Hagen dazu von der Tür wegzugehen. Dann setzte sich die Lady Kapitän in Bewegung. Golz machte eine einladende Handbewegung und hielt ihr gleichzeitig die riesige Pranke hin, um ihr die Stufen hinauf helfen. Die ganze Frauschaft der Feuchten Hütte und der Flötzinger standen Spalier. Golz ließ seine Lady Kapitän eintreten und schloß die Tür.
‘Herzlich Willkommen in der Feuchten Hütte!’ rief Ignaz Flötzinger. ‘Darf ich Euch etwas anbieten!’
Golz löste sich von der Tür und rief: ‘Wenn ich vorstellen darf, Lady Kapitän Ingrid-Senta Skylarson.’ Dabei starrte er unentwegt auf die Huren.
Die Lady Kapitän zog nur eine Augenbraue hoch und räusperte sich dann. Golz schrak regelrecht hoch und machte dann drei Schritte zum Tresen. Geheimnistuerisch griff er in seinen Mantel und holte einen Becher heraus, um ihn dann auf den Tresen zu stellen. Es war ein schlichter Zinnbecher, aber es war das Wappen der Reederei eingraviert.
‘Einen kleinen Grog für die Lady Kapitän!’ meinte er und schob den Becher über den Tresen. Der Ignaz huschte hinter die Theke und setzte sein bezauberndstes Lächeln auf: ‘Eine kleinen Grog, kommt sofort!’
Er konnte die beiden jetzt schon nicht aussehen, goß aber weiter übertrieben freundlich grinsend den heißen Tee in den Becher, um ihn dann mit einem ordentlich Schuß Rum abzulöschen.
Golz stierte wieder auf die Huren. Die Lady Kapitän räusperte sich wieder und Golz brachte den gefüllten Becher an den Tisch des Hafenmeisters, der mit Listen und Pergamenten überhäuft war. Der Hagen wienerte zugleich herbei und schob die Papiere zu einem Haufen zusammen.
Golz stellte den Becher ab, zog einen Lappen aus seinem Ärmel. Nun wienerte Golz über den Tisch und den Stuhl und dann erst schob er den Stuhl zur Seite, um der Lady Kapitän den sauberen Platz anzubieten.
Die Lady Kapitän blickte auf den Boden, zog wieder eine Augenbraue hoch und setzte sich dann langsam und würdevoll in Bewegung. Als sie sich endlich hin setzte, bemerkte sie eher beiläufig: ‘Der Boden sieht aber schon ganz schön versaut aus, ich dachte hier wäre alles neu!’
Diesmal räusperte sich Hagen, um das betretene Schweigen zu unterbrechen. ‘Ich wollte Euch die Baupläne für den neuen Hafen zeigen.’
Golz stierte wieder auf die Huren und die Lady Kapitän meinte dann eher weniger beiläufig: ‘Herr Golz, bitte tu uns allen einen Gefallen und geh dich entspannen. Wenn du sie weiter so anstarrst, verlangen sie noch 1 Silber nur fürs betrachten.’
Golz wurde schlagartig rot im Gesicht. Er blickte beschämt auf den schmutzigen Dielenboden.
‘Los, nimm dir ein paar Stunden frei, das ist ja nicht mit anzusehen!’ rief sie dann, griff in ihre Jacke, um einen kleinen Lederbeutel heraus zuholen.
Sie spielte mit ihren Fingern an der Lederschnur, die den Beutel zusammenhielt und warf ihn dann Golz zu. ‘Da sind 23 Silber drin. Mach dir nen schönen Abend.’
Das erste Beiboot der Albatros legte am Kai an und Hagen von der Winde hielt der Lady Kapitän die Hand hin. Sie jedoch ließ zuerst ihren ersten Maat Golz aussteigen und er bot ihr die Hand an, damit sie aussteigen konnte.
Hagen machte eine elegante Verbeugung und ließ sich nicht anmerken, dass er jetzt schon beide nicht ausstehen konnte. Golz räusperte sich und machte Meldung: ‘Lady Kapitän Ingrid-Senta Skylarson!’
‘Hagen von der Winde, Hafenmeister von Primum.’ meinte Hagen und fuhr fort. ‘Willkommen auf Primum.’
Sie nickte ihm zu, tippte an Ihren Hut und fing ohne Begrüßungsgeplänkel zu sprechen an: ‘Das Hafenbecken ist in einem miserablen Zustand. Eure Hafeneinfahrt ist zu eng für richtige Handelsschiffe. Mag ja sein, dass mein Bruder mit seiner Jolle hier durchgeflutscht wie ein Aal, aber wenn die Albatros hier die Handelsroute übernehmen soll, dann solltet Ihr das schleunigst ausbessern.’
‘Ich dachte ich hätte Zeit, Euch ins Trockene zu begleiten, um Euch die Pläne für die Umbauarbeiten zu zeigen. Der nächste Wettstreit kommt bestimmt.’ konterte Hagen erschreckend souverän.
Die Lady Kapitän streckte Golz den Arm hin und Golz setzte sich, mit einem tiefen und grollenden ‘Aye!’, dass anscheinend aus den Tiefen seiner Kehle gestolpert war, in Bewegung. Hagen zeigte auf den Steinweg und ging neben ihnen her.
Auf dem Weg zur Feuchten Hütte fing die Lady Kapitän an zu fragen: ‘Was macht der Abbau des neuartigen Mörtels?’
‘Die Schürfrechte für diesen Landstrich liegen beim Krieg. Wir beziehen das Gesteinsmehl für die Arbeiten hier von den hiesigen Uth!’
‘Wir können also diesen Mörtel nicht verkaufen?’ frug sie entsetzt.
‘Doch wir verkaufen im Moment einen Uth Mörtel für 22 Kupfer, wieso?’ meinte Hagen und tippte auf sein Gürtelwappen, auf dem der Kriegshund seine Zähne gleich dreimal fletschte.
Die Lady Kapitän stolperte über einen Stein, weil sie den Hafenmeister beim Gehen entgeistert angeblickt hatte.
‘Nicht dass Ihr mich falsch versteht, ein Uth die Maßeinheit hier auf der Insel. Dazu muss man nur einen ausgewachsenen Uth auf eine Waage stellen und Gewicht in Mörtel aufwiegen.’ plapperte der Hafenmeister vor sich hin.
Die Lady Kapitän schüttelte den Kopf und stolperte weiter auf dem Steinweg.