Aus der Abteilung Liebesbriefe - Briefe vom Festland - Die Antwort
Verehrtester Herr von der Winde,
gänzlich unerwartet erreichten mich Eure eloquenten Zeilen, die so warm und huldvoll waren, wie die Hände des Überbringers kalt und zittrig. Ich muss Euch gestehen, dass ich ob des Überbringers Zweifel an der Wahrhaftigkeit Eures Briefes hatte. Doch nun, da ich Eure, mit so leichter Feder verfassten Zeilen gewahr wurde und sie mein unschuldiges Herz bewegten, wie die Herbstwinde die reifen Ähren mit ihren ungestümen Pranken erschüttern, bin ich zutiefst ergriffen. Und so komme ich nun nicht umhin, mich des guten Vaters strengen Augen zu entziehen, um Eure Sehnsucht heimlich zu erwidern. So sollen diese Zeilen mein wahrhaftig Versprechen sein und möge eine Locke meines jungfräulichen Haupthaares Euch als mein ährenvolles Unterpfand dienen. Tragt es wohl an Eurem Herzen bis zu dem Tage meines 18. Ehrentages. Dies wird der Tag sein, an dem mein guter Vater mich freigibt und ich Euch endlich nahe sein darf und bis der sanfte Wind der Liebe Eure wallende Prachtmähne über meine unberührten Ähren streichen wird. Seid gewiss, dass ich in der Liebesnächte Kühlung eingedenk Eures stattlichen Antlitzes und der Gestalt gleich eines mächtigen Prätorianers mit all meinen Sinnen in sehnsüchtiger Erwartung begierig dahin schmelze. Hoffnungsvoll zähle ich die Tage, bis mein Weg mich wieder in den Hafen führt und euch zumindest aus der Ferne angesichtig werden darf. Wenn es die Wahrheit ist, dass Euch die Selbe fremde Fühlung umfängt und die Sehnsucht in Eurem heldenhaften Herzen fiebert, dann lasst mir ein Zeichen tiefer Treue und Eurer schwärenden Liebe zukommen. Dann will auch ich es an meinem vor Erregung bebenden Herzen tragen, bis ich endlich frei bin zu sein. So verbleibe ich nun hoffend und mit bangen Herzen auf ein Unterpfand von Euch, so wie das Licht die Motte in ihren Bann zieht, so hat mich eure überwältigende Mannhaftigkeit genauso gefangen, wie eure Kühnheit mir die Minne anzutragen.
Aus der Abteilung Liebesbriefe - Briefe vom Festland
Verehrtste Konstanze Grötzenhuber,
als ich vor nicht allzu langer Zeit durch die gräulich-rotbraune Tristes des Hafenviertels Schritt und nichts im Sinne hatte als mich des aufkommenden Herbstwindes zu entziehen, erschien, völlig unverhofft, ein güldener Glanz des vergangenen Sommers vor meinen Augen. Der Wind wehte wie ein wundervoller Hauch und ließ mir Dein güldenes Haar wie ein wogendes Weizenfeld in vollster spätsommerlicher Pracht erscheinen. Sofort erwuchs in mir das Bedürfnis wie ein Gnadenvoller Schnitter eine jede einzelne Ähre deines lieblichen Hauptes mit der Sense meiner Hand zu berühren, zu liebkosen und zu verschonen auf das ich dereinst später zurück zu kehren vermöge um ebendieses wieder und wieder zu wiederholen. Mit dem raschen Entschluss unbedachten Mutes raffte ich meinen gesamten Mumm zusammen und trat an Dich heran. Fast übertraf der liebliche Gesang Deiner Stimme noch die Verlockungen Deines Haares und mir sank der Mut so sehr wie meine Knie erweichten. Doch schaffte ich es noch ein wenig Belanglosigkeit mit Dir auszutauschen. So erfuhr ich von Deiner Familie und dem Umstand das Du gerade Deinen Siebzehnten Sommer gesehen hattest. Im siebzehnten Jahr Deiner wundervollen Erscheinung schreitest Du mir über meinen Weg und ich verdammter Tor sehe mich nicht imstande etwas Geistreiches oder zumindest Geckenhaftes von mir zu geben. Ich verging vor Gram und wollte nicht Essen noch Trinken bis ein treuer Freund, meines Leides überdrüssig, alle Anstrengungen unternahm um den Ort Deiner Heimstatt zu erfahren. So kann ich wieder hoffen, denn zumindest erreichen Dich nun meine Worte. So muss ich nun erneut all meinen Mut zusammen zu nehmen um die nachfolgende Frage an Dich zu richten. Würdest Du mir die Gnade Deiner Gegenwart erneut erweisen um mit mir die lieblichen Gefilde der herbstlich scheinenden Haine hinter der Stadt zu besuchen?
Ein Rehlein steht im Walde. Ganz still und stumm. Es hat uns aber trotzdem erzählt, was an diesem Tag im Wald geschah.
Am Grenzstein konnte man eine Bewegung wahrnehmen. Eine Patrouille kam von Drüben an den Fallbaum marschiert und untersuchte den gelben Schnee.
Er wurde gemessen und gewogen und nicht für gut befunden worden.
Dann wurden die Tannen gezählt und es wurde festgestellt, dass eine Tannenspitze fehlte.
Die Männer blickten über die Grenze und konnten hinter der Lichtung die feuchte Hütte sehen und der Rauch, der aus dem Kamin in den Himmel empor stieg.
Was sie nicht sahen, waren zwei dunkle Gestalten, die sich mit einer abgesägten Tannenspitze unter den Armen hinter die Grenze schlichen und die Tannenspitze zurück brachten. Es wurde eine Paste auf den Baumstumpf aufgebracht. Dann wurde die Tannenspitze wieder dort hingestellt, wo sie gewachsen war. Und wie durch ein Wunder, oder vielmehr durch eine Wunderpaste wuchsen Stumpf und Stamm wieder zusammen.
Kurz bevor die 16 Mann die Grenze überschreiten wollten, drehten sie sich nochmal zu dem fehlenden Baum um. An diesem Tag kam keiner über die Grenze, um den Krieg zum Krieg zu tragen.
Das Rehlein scharrte im Schnee und legte ein Buschwindröschen frei.
Im Hafenbecken schwamm ein Kraken in der Eiseskälte und lugte aus dem Wasser. Man hätte meinen können, er würde die Seemöwe ganz genau im Blick haben.
Es wurden geschäftig Bierfässer auf die Seemöwe gebracht. Hans schrubbte immer noch das Deck und Oberon beaufsichtigte ihn gähnend.
Die Mannschaft der Seemöwe war hart am Arbeiten und der Kapitän stand noch an Land und fachsimpelte mit dem Ignaz. Die Frauschaft der feuchte Hütte stand geschossen und zutiefst traurig am Hafenbecken und wedelten schon mal mit den Taschentüchern zum Abschied.
Die Herta hat sogar eine einsame Träne im Auge. Das würde sie natürlich nie zugeben.
Hans-Peter Mies stand an Deck und blickte zu den Huren hinüber. Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Das würde wiederum er niemals zugeben.
Der Schiffskoch Herbert Santa Maria kam summend an Deck, humpelte zur Reling und warf einen Eimer mit Abfällen ins Wasser. Dann pfiff er die Melodie eines bekannten Liedes und schon begann der Ohrwurm sich durch die Köpfe der Mannschaft zu fressen.
Hans fing an: ‘15 Mann, auf des toten Mannes Kiste!’
Die Mannschaft johlte: ‘Johohoho und 'ne Buddel mit Rum!’
Herbert Santa Maria stimmte ein: ‘15 Mann schrieb der Teufel auf die Liste, Schnaps und Teufel brachten alle um! Ja! 15 Mann auf des toten Manns Kiste’
‘Johohoho und 'ne Buddel mit Rum!’
‘15 Mann schrieb der Teufel auf die Liste, Schnaps und Teufel brachten alle um! Ja! Schnaps und Teufel brachten alle um!’
‘Johohoho und 'ne Buddel mit Rum!’
Der Kraken erbrach sich ins Hafenbecken und wart von dort an nie mehr gesehen.