Leitfaden des jungen Phönix Kapitel 538 - Lufern im Holze
So begab es sich das Lufern seinen Gefährten gebot an Bord der Schiffe zu verweilen, während er die Insel alleine zu erkunden gedachte. Er sah den Unmut in den Augen seiner Gefährten, doch wagte es keiner seine Weisheit in Zweifel zu ziehen und er bestieg ohne ein Wort des Widerspruches zu vernehmen ein Boot.
Er ging am Lager der Mannen des gefallen Herrschers an Land und es schien ihm als sei dieses erst kürzlich verlassen worden. Die Feuerstellten schwelten noch und das Vieh war in guter Verfassung.
Frische Spuren führten in den dichten Wald der sich an den Strand schmiegte. Er wandte sich dem Waldrand zu und rief den Versteckten sich zu zeigen auf dass er sie im Namen des Geistes und des Gleichgewichtes richte. Doch nur ein einsamer Vogel antwortete ihm mit sanften Zwitschern.
So folgte Lufern den Spuren in die grüne Dunkelheit.
Seine Gefährten sahen ihn im dichten Walde verschwinden und sobald der letzte seiner Schritte verklungen war brach nur das beständige Rauschen der Wellen die Stille die wie ein Grabtuch über dem Lager und der davor ankernden Flotte lag. Stunde um Stunde verging und Luferns Begleiter begannen sich zu Sorgen. Doch die Diener des Geistes wussten, dass Lufern im Gleichgewicht wandelt und um seine Weisheit und Macht. So beruhigten sie ihre Gefährten aber wachten um jedes Zeichen Luferns oder des Geistes.
Als die Nacht hereinbrach wurde das Vieh im verlassenen Lager unruhig. Man nahm an es sei durstig oder hungrig und beschloss, dass es Luferns Weisung nicht wiederspräche das Vieh auf die Schiffe zu holen. Doch als die Mannen welche mit dieser Aufgabe betraut waren an Land gingen wurde ihnen mit einem male ganz klamm und bang, sie fühlten etwas im Walde sie beobachten und es schien ihnen eine Bedrohung davon auszugehen welche sie erspüren aber doch nicht greifen konnten. So eilten sie und brachten das Vieh auf die Schiffe, doch von Lufern fehlte weiterhin eine jede Spur.
So vergingen weitere Tage und der Mut der Flotte sank beständig, als mit einem male ein lautes Brüllen aus dem Walde zu vernehmen war. Manche meinten ihre Augen hätten ihnen einen gigantischen Phönix im Walde aufblitzen gezeigt, andere sprachen von Licht das sich in einem See oder Flusse im Walde brach und dem müden Auge des Erschöpften und Besorgten einen Streich zu spielen gedachte. Manche glaubten Bäume fallen zu sehen, doch andere meinten das der Wind gewesen der durch die Kronen stob um die Bäume zu schütteln. In jedem Falle erschien Lufern kurz darauf erschöpft doch mit erhobenem Haupt. Seine Gefährten eilten ihn an Bord zu holen und als sie mit ihrem Boot den Strand erreichten war das unbehagliche Gefühl, das sie beschlich als sie dereinst das Vieh bargen, nicht mehr zu vernehmen.
Die Rückkehr Luferns führte zu allgemeiner Freude und es wurden die Tische zum Feste gedeckt. Lufern berichtete seinen Gefährten was ihm unglaubliches wiederfahren war wie es im Kapitel 539 zu lesen ist und er gebot das diese Kunde rasch an alle Brüder und Schwestern des Phönix weiter zu tragen sei.
An den ehrwürdigen Prior Herzog Beltram Dragosani,
ihr erhaltet hiermit den vorläufigen Ereignisbericht zu den laufenden Ermittlungen im Falle der beiden „vermissten“ Seelen. Beim geheiligten Wettstreit auf der Insel „Primum“ ist nach Auswertung der Registratur-Akten eine Unstimmigkeit aufgefallen.
782 Seelen haben laut unseren Akten die Registratur durchschritten, um sich den Prüfungen der Wächter zu stellen. Davon sind 779 Seelen zurückgekehrt um erneut zu Ehren der Aeonen zu streiten. 1 Seele hatte entschieden, dass seine Zeit gekommen sei sich in die Obhut des Raben zu begeben und hat den Wettstreit vorzeitig verlassen. Registrator Amun hat sich um die korrekte Überführung gekümmert. (Aktenzeichen Rote Ruhr 001)
Dennoch haben wir ein Defizit von 2 Seelen, deren Verbleib nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist. Eine erneute Überprüfung der Akten brachte keine weiteren Erkenntnisse. Eine Doppelregistrierung ist unwahrscheinlich.
Nach Konsultation der ehrenwerten Seherin Priorin Baroness Annuschka Jekatharina von Zwetko konnte der Verbleib auch nicht ohne Zweifel geklärt werden.
Somit blieb uns nur die Globule erneut zu öffnen und unter Einsatz der Expeditionsteilnehmer zu überprüfen ob die Seelen noch im Labyrinth verblieben sind. Wir wurden noch 6 „freiwilligen“ Aschläufern habhaft, die sich noch nicht Ihrer Begnadigung verdient gemacht hatten.
Der genaue Ablauf der Expedition ist in Anlage L4716 (b) im Archiv abgelegt worden.
In Kürze lässt sich folgendes sagen:
Wir konnten die Seelen nicht im Labyrinth ausfindig machen, konnten jedoch auf Grund der enormen Aggressivität der Schatten nicht das ganze Labyrinth absuchen. Zwei der Läufer fielen den Schatten zum Opfer und ich habe Ihre Rehabilitation post mortem angeordnet. Ihre Namen sind in den Analen des Ordens Lobend aufgenommen worden. Ein Läufer erwies sich als unwürdig und ergriff die Flucht. Er wurde von den Ordensbrüdern der Voin aufgegriffen, und den Okhotnik zur Umerziehung überantwortet. Er wird uns daher mit gestählten Nerven nächstes Jahr zur Verfügung stehen, nach der Umerziehung erwarten wir natürlich großes von ihm.
Auch wenn wir keine eindeutigen Erkenntnisse aus dem Labyrinth mitbrachten, läßt die ungewohnte Aggressivität der Schatten den Schluss zu, dass die vermissten Seelen auf irgendeine Art und Weise von den Schatten verschleppt wurden. Dies sollte Bald möglichst untersucht werden. Vielleicht finden wir nächstes Jahr ein paar freiwillige aus den Lägern um dies zu untersuchen um nicht unsere Ressourcen in dem Bericht weiter zu schwächen, da wir sie für den Aufbau Novy Orgulistan benötigen.
Weiterhin schlage ich vor die Gefahrenlage des Zwischenreichs auf Grund dieses Zwischenfalls erneut zu bewerten.
Beim vergangenen Wettstreit auf Primum haben wir 13 Läufer verloren, 52 wurden wegen ihres Heldentums und den Dienst am Raben begnadigt und nach Novy Orgulistan überstellt um dort bei dem Aubau zu helfen. 22 wurden wegen unzureichenden Diensten wieder in die Obhut ihrer Herren übergeben. 3 wurden zu Resozialisierung den Okhotnik übergeben.
Mit ergebenen Grüßen
Euer bescheidener Diener Bürokrat Igor Piotrew Marlov
es sind erst ein paar Momente, die ich auf das Meer starre. Dem immer kleiner werdenden Punkt am Horizont hinterher blickend und dem Wahnsinn, der ganz leise im Inneren meines Kopfes anfängt gegen die Schädeldecke zu pochen, erschreckender Weise gewillt zu sein anheim zu fallen.
Ich kann mich an die letzte Nacht kaum mehr erinnern. Gefeiert hatten wir, wohl. Nicht unseren Sieg, nein als die freiwilligen Verlierer feierten wir die Gemeinschaft und unseren kleinen Sieg für das große Ganze. Die Freunde, die sich fern ab von ihren Lagern und fern ab von ihrer Heimat auf diesem Eiland gefunden haben und etwas wahrlich Unglaubliches vollbracht haben.
War es doch wahrlich Wurst aus welchem Lager der Einzelne war, mit dem man seinen Trunk teilte, weil wir hatten die letzten Tage gemeinsam geschwitzt und geblutet, während die Lager auf den Schlachtfeldern gegeneinander stritten.
Zu tief in den Becher geschaut hab ich wohl. Doch dass ich meinen Verstand am Boden der letzten Flasche versenkt haben musste, wurde mir erst so richtig bewusst, als ich am nächsten Tag völlig allein mitten im Wald jenseits des Baches, am Fuße der Himmelstreppe aufwachte. Die Sonne hatte ihren Zenit schon lange überschritten.
Bei allen Göttern, ich würde mein Schiff verpassen, dachte ich und lief armewedelnd durch den Wald bis an den Ort, wo gestern noch mein Zelt gestanden hatte.
Als ich meinen Lagerplatz völlig verwüstet vorfand, machte ich mir zuerst Sorgen, dass in der Nacht noch etwas Schlimmes passiert sei. Hier sah es aus, als wäre das Zelt des Alchemisten in die Luft geflogen. Ich lief also armewedelnd weiter zum Landungssteg und dort stand ich noch, als die Sonne am Horizont verschwunden war.
Ich hatte nicht nur mein Schiff verpasst. Ich hatte das letzte Schiff verpasst! So was kann auch nur mir passieren. Ich musste zwei oder drei Tage geschlafen haben.
Und warum hatte mich niemand geweckt?
Komm zum Wettstreit haben Sie gesagt, da kannste ne ganze Insel gewinnen, haben Sie gesagt. Ruhm und Ehr, haben Sie versprochen.
Ja, die ganze Insel hab ich wohl für mich allein. Aber was nützt mir das. Könnte ich diese Insel doch eintauschen um noch eine weitere Nacht bei dir zu sein.
Die erste Nacht war reichlich seltsam, liebe Erika.
Ich hab mich in der verwaisten Stadt in einem leckgeschlagenen, umgestürzten Zuber, den man wohl nicht mehr reparieren konnte, niedergelassen. Geschlafen hab ich nur wenig. Bin ich doch seit Jahren nicht mehr wirklich allein gewesen. Immer in Sorge, dass es meinem Herren gut ginge, war ich in seinem Tross nie wirklich alleine. Weil es sorgten sich allerlei gute Menschen um diesen edlen Mann.
Ich bin ihm überall hingefolgt. Sogar als er seine Zelte in der Heimat abbrach, um auf die erste Insel zu reisen. War ich immer an seiner Seite. Aber wie konnte mich der Herr denn nur vergessen?
Er hielt doch immer so große Stücke auf mich! Ich war zwar nur ein einfacher Metzger, aber mein Handwerk schien so überragend zu sein, dass mich der Herr auf seinen Hof bat, damit ich ihm täglich mit meinen Wurstvariationen verwöhnte. Das hätte sich mein Vater nie träumen lassen, dass unsere ‘Grobe Fette’ mal so berühmt werden würde. Das Familienrezept der groben aber fein geräucherten Leberwurst brachte mich nicht nur an den edlen Hof des Freiherrn Quain Wohlgenannt, ohne von und zu, wie er immer scherzte, nein diese Wurst brachte mich noch ans Ende der unsbekannten Welt. Und da sitz ich nun in einem halbumgeworfenen kaputten Zuber und hoffe dass die Mapori mich nicht erwischen.
Der Phönix des Südens hatte zum Wettstreit aufgerufen und ich war meinem Herren Quain Wohlgenannt auch auf die zweite Insel gefolgt. Wenn mancher denken könnte, dass die erste Insel schon seltsam gewesen war, die Zweite schlug im dem Fass im wahrsten Sinne des Wortes den Boden aus. Hab ich ein Glück, dass ich die dritte Insel in diesem Leben nicht mehr erreichen werde.
Ich kann meine Dummheit auch nicht fassen, aber sowas kann auch nur mir passieren. Alleine und Verschollen unter diesen Dreckfressern.